OLG Düsseldorf rudert zurück – keine generelle Wartefrist im Unterschwellenbereich

Mit Beschluss vom 21.6.2023 (27 U 4/22) hat das OLG Düsseldorf für Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte eine generelle Informationspflicht und Wartfrist abgelehnt. Das OLG wendet sich damit ausdrücklich von seinem Beschluss vom 13.12.2017 (27 U 25/17) ab.

2017 hatte das OLG in einem viel diskutierten obiter dictum die Auffassung vertreten, es sprächen viele und gute Argumente eine generelle Informationspflicht und Wartefrist. Dadurch würde Primärrechtsschutz im Unterschwellenbereich erheblich erleichtert, weil Bieter eine effektivere Möglichkeit bekämen, um Rechtsschutz in einstweiligen Verfügungsverfahre nachzusuchen. Fast sechs Jahre nach diesem Beschluss vollzieht das OLG nun eine Kehrtwende. Nach ausdrücklichem (wie ungewöhnlichem) Hinweis auf seine vollständig neue personelle Besetzung hält das OLG künftig eine generelle Informations- und Wartefrist im Unterschwellenbereich nicht mehr für notwendig. Der Senat zieht sich damit auf die Position des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2006 zurück.

Das OLG stellt reiht sich damit (wieder) in die verfassungsgerichtliche sowie übrige obergerichtliche Rechtsprechung ein. Insoweit hatten etwa das OLG Celle (Urteil v. 09.01.2020 – 13 W 56/19) sowie des KG Berlin (Urteil v. 07.01.2020 - 9 U 79/19) dem Interesse an der zügigen Auftragsvergabe erneut den Vorrang vor einem wirksamen Primärrechtsschutz im Unterschwellenbereich eingeräumt und dem OLG Düsseldorf widersprochen. Die Pflicht zur Vorabinformation und Wartefrist ergebe sich nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 134 GWB, für die es schon an der planwidrigen Regelungslücke fehle. Bei der Erarbeitung der UVgO sei bewusst auf die Einführung von Primärrechtsschutz verzichtet worden.

Dementsprechend hätten einige Länder in Einzelregelungen (u. a. Rheinland-Pfalz und Thüringen), die eine Pflicht zur Vorabinformation und teils originäre (Primär-)Rechtsschutzmöglichkeiten auch unterhalb der EU-Schwellenwerte eingeführt. Auch das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes gebiete aufgrund eines weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes nichts anderes. Auch war im konkreten Fall keine Binnenmarktrelevanz gegeben.


Fazit:

Praxisrelevant ist der Beschluss in denjenigen Bundesländern (und auf Bundesebene), die keine im Unterschwellenbereich keine gesetzlichen Regelungen zur Vorabinformation und/oder originären Primärrechtsschutz haben. Für Auftraggeber und Unternehmen in Rheinland-Pfalz dürfte sich deshalb wenig ändern. Mit Spannung bleibt insoweit aber abzuwarten, wie sich der Beschluss auf die 2021 durch das OLG Zweibrücken (Beschlüsse v. 13.09. und 11.10. 2021 – 1 U 93/20) postulierte Rügepflicht im Unterschwellenbereich auswirkt.

 

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Jan-Lukas Wein 

Juristischer Mitarbeiter